Samstag, für mich ein Tag der Ruhe und Zeit mit Gott verbringen, doch an diesem Tag am 9.Mai 2020 war alles anders. Statt wie üblich in der Bibel zu lesen, waren mein Mann und ich damit beschäftigt unseren kommenden Urlaub zu planen. Diesmal soll es eine Radtour mit Zelten werden.
Ich liebe zelten. In Namibia sind wir oft vollbeladen in die Wüste gefahren. Alles wurde in unseren Land Rover gepackt. Zelt, Zeltplanen, Grill, Kühlkiste für das Fleisch und die Getränke, eine riesige Truhe für die Nahrungsmittel und das Kochgeschirr, kleine Gepäcktaschen mit Kleidung und einer warmen Jacke für nachts, denn in der Wüste kann es nachts sehr kühl werden, alles wurde eingeladen und sicher verstaut. Das Packen, die Vorbereitung und das Auspacken am Ende der Reise waren zwar anstrengend, doch das Campen in der Natur war einfach nur herrlich und für mich ein Geschenk. Als wir jedoch 2000 nach Deutschland gezogen waren und mein erster Mann bald darauf verstarb, ließen meine Kinder und ich ab vom Campen. Wir machten lieber Urlaub bei Verwandten oder in kleinen Pensionen oder Ferienwohnungen. Radfahren war bei mir eher klein geschrieben, denn in Namibia empfand ich Radfahren immer sehr anstrengend –Berg auf und Bergab, Hitze – nein, irgendwann hatte ich beschlossen, Radfahren ist nichts für mich.
Doch dann heirate ich einen Mann, der nichts anderes kannte außer Radfahren. Er hatte schon ganz Deutschland mit seinem Rad durchquert. Als er mich kennenlernte, merkte er jedoch bald, wie einfach man es hat, wenn man Auto fuhr und bald schon war auch er Autofahrer geworden. Irgendwann kaufte ich jedoch ein Rad. Ich wollte etwas mehr Sport treiben. Eine Zeitlang fuhr ich regelmäßig zur Arbeit, aber dann kam der Winter und das Rad stand wieder im Schuppen. Vor einigen Jahren wollten mein Mann und ich gemeinsam uns mit dem Rad die Mühlen im Umkreis ansehen. Anstrengend. Ich fuhr meinem Mann zu langsam oder besser er fuhr mir zu schnell. Jetzt jedoch haben wir es geschafft öfter gemeinsam zu trainieren und nun hoffen wir bald eine längere Tour zu machen. Es wird bestimmt sehr spannend, denn mein Mann ist der erfahrene Radfahrer, aber er hat im Gegensatz zu mir keine Ahnung vom Campen.
An dem besagten Samstag kam uns nachmittags die Idee doch noch einmal zu „trainieren“. Kann man trainieren? Kann man sich auf eine Radtour vorbereiten? Ich denke ja. Wir packten ein paar Getränke und eine Jacke in den Rucksack und auf ging es. Mit Helm bewaffnet fuhren wir gen Westen – immer in Richtung der untergehenden Sonne. Gut, dass wir an unsere Sonnenbrillen gedacht hatten. Am Zielort angekommen, mussten wir uns mit etwas zu essen versorgen. Aus einer Stunde Fahrt waren inzwischen zwei Stunden geworden und der Magen rief uns laut zu: HUNGER! Es gab Brötchen, Geflügelwurst, in Blätterteig, Schokolade und ungesunde Cola. Hiermit gewappnet fuhren wir zum Bahnhof. Dort gab es eine Bank. Als erstes zog ich meine Schuhe aus. Sie drückten und brannten. Ich hatte sie wohl zu fest geschnürt. Nach der kleinen Stärkung ging es endlich wieder heimwärts. Es wurde auch Zeit, schließlich war es inzwischen 20.30 Uhr geworden und bald würde die Sonne ganz verschwunden sein.
Wir fuhren in einem angepassten Tempo, mit einigen Verschnaufpausen - Hügel strengen mich immer noch an- Richtung Minden. Ich dankte dem Herrn für jedes Dorf, dass wir abhaken konnten. Bald waren wir 30 Kilometer gefahren, bald 35 Kilometer. Die Zeit schien still zu stehen. Ich spürte meine Beine, meine Füße und natürlich auch meinen Allerwertesten. Ich stöhnte so vor mich hin, doch alles jammern half nichts. Wir mussten das letzte Stück noch schaffen. Dann endlich noch vier Kilometer. Ich beschloss eine Weile zu schieben. Ich war k.o., doch irgendwann packte mich der Ehrgeiz. Jetzt wieder aufsteigen und dann … pardauz, lag ich auf der Straße.
Mein Mann wusste gar nicht was geschehen war – ich auch nicht. Ich wusste nur, dass alles wehtat. Ich schmeckte Blut. Mein erster Gedanke: meine Zähne. Der zweite: nicht schon wieder meine Lippe und musste dabei an den Unfall denken, als ich beim Handstandüben auf meine Lippen gefallen war und ich gepflastert werden musste. (Meine Freundin Karin wird sich sicherlich noch an das Ereignis erinnern, als wir gemeinsam mit meinen blutenden Lippen zu meiner Mutter ins Wohnzimmer rannten und den Kaffeeklatsch meiner Mutter störten.) Der dritte Gedanke: Wo sind meine Kronen? Der dritte: wie komme ich jetzt unter meinem Fahrrad raus? Der vierte Gedanke: Was blutet nun eigentlich? Die Zähne, das Mund Äußere oder Innere, das Kinn? Ist die Hose heil? Wo ist mein Mann?
Endlich konnte ich wieder klar denken. Ich fragte ihn nach der kleinen Cola Flasche und einem Taschentuch. Cola ist ein super Desinfektionsmittel und hilft auch bei der Kühlung der Wunde. Mein Mann reichte mir alles, half mir auf die Beine und beschloss dann, nachdem er gesehen hatte, dass es mir ganz gut ging, das Auto zu holen um mich ab zu holen. 2,4 Kilometer wären es noch zu fahren gewesen. Ich setzte mich bei einer Baustelle auf die Steine, kühlte mein Kinn, trank ordentlich Cola damit ich keinen Schock zurückbehalten würde und wartete auf die Rückkehr. Bald waren wir dann zu Hause.
Hier verarztete ich mich mit einer riesigen Kompresse, legte Kühlkissen auf die Wunde im Gesicht und verschwand so durchgeschwitzt wie ich war im Bett. Mein Mann hielt mich dann noch einige Stunden wach. Er wollte sehen, ob ich eine Gehirnerschütterung erlitten hatte. Am nächsten Morgen schien alles in Ordnung, doch hatte ich leichte Kopfschmerzen. Nach meiner stillen Zeit verschwanden sie aber bald wieder. Dies wiederholte sich eine ganze Woche lang. Auch war ich noch immer leicht benommen. Ob ich wohl doch eine kleine Gehirnerschütterung hatte? Ich weiß nur, dass ich nicht viel geschrieben habe in dieser Zeit. Es war viel zu anstrengend.
Inzwischen sind zwei Wochen vergangen und ich frage mich, was ich daraus lernen sollte.
Ich bin Gott sehr dankbar für die Bewahrung; es hätte wirklich viel schlimmer ausgehen können. Die Schramme am Kinn ist verheilt – der Schorf ist schon ab. Die Wunde in der Lippe schmerzt noch, aber ich kann meinen Kaffee wieder normal, ohne Strohhalm trinken. Die blauen Flecke an den Beinen, die ich erst diese Woche entdeckt habe, brauchen wohl noch eine Weile bis sie verschwinden. Ich bin sehr dankbar, dass ich an dem Tag meinen Fahrradhelm anhatte. Ich bin zwar nicht auf den Hinterkopf gestürzt, es hätte aber leicht passieren können.
Soll ich jetzt doch keine Fahrradtour machen? Nein. Jesus sagte mir: „ Übertreib nicht! Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen!“ Für mich Anfängerin waren 45 Kilometer zurzeit noch nicht dran. Bis zu dem Urlaubstermin im September werden wir weiterhin trainieren, doch denke ich, dass wir vorerst auf Nachtfahrten verzichten sollten. Auch ist es wichtig vor der Reise um Bewahrung und Ausdauer zu beten. Ich habe vertraut, doch denke ich, dass ich viel mehr Ausdauer gehabt hätte, wenn ich vorher einfach mal um Gottes Schutz gebetet hätte.
„Die auf Gott vertrauen bekommen neue Kraft, dass sie fliegen wie Adler, dass sie laufen (Rad fahren) und nicht müde werden.“ (Jesaja 40,31)
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